Rechtswidrige Veröffentlichung personenbezogener Daten durch Arbeitnehmer kann wichtiger Kündigungsgrund sein.
Das ArbG Stuttgart befasste sich im Urteil vom 04.08.2021 – 25 Ca 1048/19 u.a. mit der Frage, ob rechtswidrige Datenverarbeitungen des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen können. Das Gericht stellte u.a. fest, dass die Inhalte von Prozessakten nach der gesetzlichen Bestimmungen nicht öffentlich sind. Veröffentlicht ein Arbeitnehmer bewusst und gewollt und ohne rechtfertigenden Grund in der Betriebsöffentlichkeit solche Schriftsätze, in denen personenbezogene Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten, verarbeitet werden, dann verletzt er damit rechtswidrig und schuldhaft die Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich genannten Personen.
Der Kläger wurde von seinem Arbeitgeber, dem Beklagten, wegen schwerer Pflichtverletzung erneut fristlos gekündigt. Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens machte der Kläger u.a. die Prozessakten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eigenmächtig betriebsintern öffentlich. Darin enthalten waren detaillierte Angaben zu Sachverhalten unter voller Namensnennung von Zeugen und Mitarbeitern des Arbeitgebers mit Angaben zu psychischen Beeinträchtigungen von Beteiligten. Der Kläger rechtfertigte die Veröffentlichung der Prozessakten damit, dass er ausschließlich im Rahmen „persönlicher oder familiärer Tätigkeiten gehandelt“ habe, es keine Norm gäbe, „die es grundsätzlich gebiete, Prozessakten geheim zu halten“ und die Daten „aufgrund der öffentlichen Zeugenvernehmung in der öffentlichen Sitzung vor dem Arbeitsgericht vor 50 bis 80 Personen als Vertreter der Öffentlichkeit öffentlich gewesen“ seien. (Rn. 60ff) Der beklagte Arbeitgeber war hingegen der Auffassung, dass der Kläger durch die Veröffentlichung der Prozessakte u.a. gegen das Datenschutzrecht und das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verstoßen habe.
Das Gericht hatte u.a. darüber zu entscheiden, ob die rechtswidrige Veröffentlichung der Prozessakten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt, der eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann.
Das Gericht hielt zunächst allgemein fest, dass Verstöße gegen die Bestimmungen der DS-GVO einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen können. Rechtswidrige Datenverarbeitungen des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, die mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts etwa von Arbeitskollegen einhergehen, können dazu geeignet sein, bei entsprechender Schwere des Verstoßes „an sich“ einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer Kündigung auszumachen. Schuldhafte Verstöße gegen den Datenschutz seien wie schuldhafte Verletzungen der Verschwiegenheitspflichten zu bewerten. (Rn. 127)
Laut Gericht enthielten im vorliegenden Fall die veröffentlichten Prozessakten personenbezogene Daten, wonach die DS-GVO somit anwendbar sei. Bei deren Veröffentlichung konnte sich der Kläger nicht auf die Ausnahme einer Nutzung für rein persönliche und familiäre Tätigkeiten nach Art. 2 Abs. 2 c) DS-GVO berufen. (Rn. 130ff) Eine Verbreitung in ungeschwärzter Form sei nicht erforderlich gewesen (Rn. 137ff) und die Vertraulichkeitsinteressen der in den Akten genannten Betroffenen hätten gegenüber einer Veröffentlichung überwiegen müssen. (Rn. 143) Außerdem konnte sich der Kläger auch nicht auf eine vorherige Veröffentlichung vor Gericht berufen. Die Gerichtsöffentlichkeit ist nicht mit dem Begriff der Betriebsöffentlichkeit gleichzusetzen und der verschriftlichte Inhalt von Prozessakten sei auch nicht gerichtsöffentlich. Schlussfolgernd habe der Kläger als datenschutzrechtlich Verantwortlicher die Prozessakten rechtswidrig in der Betriebsöffentlichkeit verbreitet und damit gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen. Das Gericht sieht darin einen schuldhaften Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten und einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB.